Vergleich zwischen Wir, 1984 und Schöne neue Welt / Blubberblasen

Sonntag, 1. Oktober 2017

Diese Postidee spukt mir schon seit geraumer Zeit durch den Kopf, wusste aber nie wie ich diese konkret umsetzen konnte, zudem fehlte mir "Schöne neue Welt" in meiner Lektüre, was ich jetz nachgeholt habe. Alle Bücher sind Dystopien, im 20. Jahrhundert geschrieben und umreißen in düsterer Manier unsere Zukunft. Und erschreckenderweise liegen die Verfasser von damals heute gar nicht mal so falsch!
Wir - Jewgeni Samjatin (1920)
D-503 erzählt uns seine Geschichte in Form eines Tagebuches. Er ist Konstrukteur der Integral und lebt in einer von einer Mauer umschlossenen gläsernen Stadt, der so genannte "Vereinigte Staat" in der es keinerlei Privatsphäre gibt. Über allem steht der "Wohltäter" und alles muss nach seinem Gleichklang passieren. Es gibt genau festgelegte Zeiten zu dem bestimmte Dinge passieren müssen und keinerlei private Zeit. Selbst die Frauen sind auf Männer abonniert und der Geschlechtsakt muss zu gewissen Zeiten stattfinden, wofür man ausnahmsweise einen Vorhang vor das Fenster ziehen darf.
Bald tritff D-503 auf I-330 und er lernt quasi eine andere Welt kennen, er hört auf, den Staat blind zu verherrlichen und stellt sich Fragen, die ihn das Leben kosten könnten.

Das Buch ist in Form der Epik geschrieben und schon oft ermüdend zu lesen (es hilft das Buch laut zu lesen, fragt mich nicht warum!). Es erzählt die Story in einem relativ kurzen Zeitraum und drückt sich in D-503s Gedanken und Gefühlen aus und beeinhaltet oft technische Begriffe und Formeln, in denen er versucht bestimmte Dinge zu begreifen (hört sich jetzt komplizierter an, als es am Ende ist!), aber auch viele philosophische Fragen über die Liebe, die Freiheit und das Leben unter dem "Wohltäter". Man kann sehr klar den Zwiespalt des Protagonisten erkennen und mitfühlen.
Als Samjatin dieses Buch schrieb, zog er sich den Unmut der Parteiführung zu und erhielt Schreibverbot, da er indirekt den Aufbau der sowjetischen Gesellschaft kritisierte. Er verließ 1929 den sowjetischen Schriftstellerverband und bekam 1931 die Erlaubnis nach Frankreich auszureisen, wo er 1937 auch starb. Bis zu seinem Lebensende behielt er aber die sowjetische Staatsbürgerschaft.
"Wir" erschien 1924/25 zunächst im Ausland und wurde 1988 erst in der Sowjetunion doch noch veröffentlicht.
Die später erschienenen Werke "1984" und "Schöne neue Welt" weisen Parallelen mit diesem Werk auf.
Schöne neue Welt - Aldous Huxley (1932)
Hier soll uns eine Welt der Zukunft gezeigt werden. Eine Welt, in der Embyronen physisch manipuliert und Kinder durch mentale Indoktrinierung beeinflusst werden. Bestimmte Kasten, bestimmte Manipulationen. Sie sollen durch den ihrer Kasten eigenen Befriedigung das Hinterfragen des Staats unterlassen, besondere Rollen spielen dabei Konsum, Sex und die Droge Soma.
Lenina ist eine Vorzeigebürgerin ihrer Kaste und scheinbar perfekt angepasst, sie findet es auch nicht seltsam, zu jeder Zeit ihren männlichen Kollegin sexuell zur freien Verfügung zu stehen. Aber da ist auch Bernard, der grübelt und sozial nicht komplett angepasst zu sein scheint. Die Gesellschaft erklärt dies, dass bei seiner physischen Behandlung als Embryo etwas schief gelaufen sei. Doch er versteht die Welt nicht wie er sie verstehen sollte und stellt in Frage, was klar sein sollte.
Alle Menschen werden in ihre Kasten dementsprechend konditioniert, dass man glücklich ist, zu seiner Kaste zu gehören und zu keiner anderen. Aber auch, dass alle Kasten wichtig sind und man nur in der Gemeinsamkeit glücklich sein kann und die Einsamkeit etwas schlechtes sei.

In der übersetzten deutschen und vom Autor autorisierten Ausgabe wurde die Handlung nach Deutschland verlegt, da es überall so spielen könnte und an keine geografische Gegebenheit gebunden ist. Ich persönlich habe diese Ausgabe gelesen und fände die Originalnamen besser, aber auch dort gibt es heute Übersetzungen, die die Originalnamen und -schauplätze beibehalten.
Huxley ruft hier ganz klar eine Diskussion über die Wertigkeit eines jeden Menschens ins Leben und vor allem über Gentechnik, wobei man wissen sollte, dass Gentechnik erst in den 1950er Jahren möglich wurde.
1984 - George Orwell (1949)
Wir begleiten Winston Smith, ein resignierter Mann, der anfängt, seine Gedanken in einem Tagebuch festzuhalten, da ihm durch seine Arbeit bewusst ist wie sehr die Geschichte im Sinne des "Großen Bruders"  verfälscht wird. Es gibt drei Machtblöcke: Ozeanien, Eurasien und Ostasien. Die Story spielt in Ozeanien bzw. genauer in England. Der Staat wird vom "Großen Bruder" bzw. durch seine Partei diktatiert und vor allem durch die sogenannte "Gedankenpolizei" unter Kontrolle gehalten. Dazu wird der Hass gegen einen Feind geschürrt, der so gar nicht existiert, aber dazu dienen soll, die Menschen unter Kontrolle zu halten und sie nicht auf die Gedanken einer Rebellion kommen zu lassen, denn man muss zusammenhalten um überleben zu können!
Der Leitspruch dieses Buches ist: Krieg ist Frieden! Freiheit ist Sklaverei! Unwissenheit ist Stärke! (ich hab dazu übrigens sogar ein Shirt).
Winston arbeitet nun im Ministerium für Wahrheit und ist dafür zuständig, alte Zeitungsberichte an die gerade herrschende Parteilinie anzupassen. Alte "Wahrheiten" werden gestrichen und neue "Wahrheiten" hinein geschrieben, dazu müssen alle Querverweise ausgelöscht und abgeändert werden, bis nichts mehr von der alten Wahrheit berichten kann. Es ist nie passiert!
Er verliebt sich in dieser Zeit in Julia und scheint den scheinbaren Halt in einer Untergrundbewegung gefunden zu  haben, doch "Big Brother ist watching you".

1984 ist deutlich bekannter als es zum Beispiel "Wir" ist, es wird oft zitiert und als Beispiel genannt, wenn es um eine gläserne und kontrollierte Zukunft geht und wenn man ganz ehrlich ist, ein wenig 1984 steckt auch ganz klar im Heute!
Orwell wollte in seinen Werken immer wieder vor dem Totalismus warnen und der Aufbau der Regierung soll ein Parodie auf Roosevelts Rede über die Four Freedoms sein. Auch hier ist Vorbild der Handlung die Sowjetunion und warnt vor einem totalen Überwachungsstaat.
Er spricht darauf an wie man die Vergangenheit kontrolliert und die Wahrheit zu dem verschleiert, was der Führer als Wahrheit möchte. Interessanterweise ist dabei auch die Idee der "Hasswoche" wichtig, denn wenn man den Menschen etwas anderes zu hassen gibt, dann lenkt das vom Diktator ab. Man richtet sich gegen einen gemeinsamen, schier übermächtigen Feind und verschließt die Augen vor dem Feind im eigenen Land. Dazu gibt es z.B. auch "Unpersonen", also Menschen, die aus der Vergangenheit getilgt werden und nie existiert haben oder die Einführung von "Neusprech" um eine allgemeingültige und rare Sprache zu schaffen.
Orwell hat viele Begriffe mit seinem Werk geschaffen, vor allem "Großer Bruder" und "Big brother ist watching you" kennt heute jedes Kind!
Vergleich der Werke
Alle drei Werke sind düstere Dystopien unserer Zukunft und auch wenn alle drei Autoren nicht wissen konnten, wie die Welt im 21. Jahrhundert aussehen würde, haben sie teilweise doch sehr ins schwarze getroffen. Heute unvorstellbar, aber vor allem Samjatin musste damals einiges an Vorstellungskraft besessen haben, um solch ein Werk zu schaffen! Stalin hatte es zur der Zeit noch nicht an die Spitze der Sowjetunion geschafft und auch Hitler war gerade erst dabei sich einen Namen zu machen. Wie eben auch Orwell macht sich Samjatin die Sowjetunion als Vorbild, während Huxley eine Zukunftswelt schafft, wo alles künstlich und genetisch perfektioniert wird.
In allen drei Büchern steht der Mensch unter den Kontrolle eines großen Herrschers, ob es in "Wir" der "Wohltäter" ist oder in "!984" der "Große Burder", auch in "Schöne neue Welt" steht der Mensch unter vollkommener Unterwerfung. Man verschafft den Menschen so wenig Freiraum wie möglich und versucht sie durch ständige Beschäftigung und Ablenkung untertänig zu machen und vor allem zu halten. Zudem spielt Überwachung eine große Rolle, sobald ein Mensch aus der Norm fällt, wird er verfolgt und ihm drohen Strafen bis zum Tode. Während in "Schöne neue Welt" die Unterdrückung eher in Konsum und Glück besteht, wird in den anderen beiden Büchern der Blick auf Gehorsam und Treue gelegt.
Während in "1984" drei Staatsblöcke existieren, haben die anderen beiden Bücher nur eine Stadt wo sich die Macht und die Handlung konzentriert.
Auffällig ist die Idee des Scheiterns in den Geschichten! Alle drei Autoren zeichnen ein düsteres, wenn auch hoch entwickeltes Bild unserer Zukunft und keine geht gut aus, auch wenn nicht alles im Tod endet!
Die Charaktere entwickeln sich eigentlich kaum. Sie verändern sich durchaus, aber sie entwickeln sich nicht. Ihnen allen ist oder wird bewusst, dass ihre Herrscher keine unfehlbaren Götter sind und das berechtigte Zweifel an der Regierungsform bestehen, können sich selbst jedoch kaum dagegen wehren. Allen Werken liegen somit grundlegende philosophische Aspekte zu Grunde, die in der heutigen Zeit umso wichtiger sind als damals wo sie mehr Fiktion denn Realität waren.
Die Warnung vor dem Totalismus stecken allen drei Romanen zu Grunde, die Gefahr der absoluten Kontrolle, die Gefahr der Verschleierung der "Wahrheit", des Gleichseins und vieles mehr! 

Ich habe damals zufällig von "Wir" in einer Radiosendung auf dem Heimweg erfahren und wollte das Buch unbedingt lesen und habe es mir quasi umgehend gekauft. Und ich war begeistert. Ist es von der Erzählform eigentlich das schwierigste zu lesende, hat es mich am meisten überzeugt. Vor allem war Samjatin der Erste, der diese Zukunftsversion schilderte und für mich ist er unverdient der Unbekannteste.
"1984" habe ich danach gelesen und auch dieses Buch konnte mich überzeugen, aber nicht so sehr wie das eben erwähnte "Wir".
Und mit "Schöne neue Welt" hatte ich so meine Probleme, ich bin nie wirklich gut in das Buch reingekommen und habe mich von Anfang bis Ende leider sehr schwer getan.
Trotzdem gehören alle drei Werke zur Weltliteratur und man sollte sie mal gelesen haben, wobei alle drei auch verfilmt sein müssten! Aber man sollte auf jeden Fall schon einmal etwas von Samjatin, Huxley, und Orwell gehört haben!

Frage
Möchtet ihr zu einem der drei Bücher noch einen ganz genauen Bericht? Inhalt, aufgeworfene Fragen, Autorenhintergründe etc.? Wenn ja, schreibt es einfach in die Kommentare und ich lasse mir etwas einfallen!

Links
Wir / Jevgenij Samjatin / Ganymed Edition
Schöne neue Welt / Aldous Huxley / Fischer
1984 / George Orwell / Ullsetin
Infos Samjatin / Wikipedia
Infos Huxley / Wikipedia
Infos Orwell / Wikipedia

6 Kommentare:

  1. Hallo Vivka
    eine interessante Idee, die drei Bücher zusammen zu lesen und zu vergleichen. Seltsam, dass alle ungefähr Anfang des letzten Jahrhunderts geschrieben wurden und so ähnliche, dystopische Aussagen machen. Ich hatte bisher nur von 1984 gehört. Das Buch hab ich als 12-jährige mal angefangen, dann aber abgebrochen. Wäre Zeit für einen erneuten Versuch damit, obwohl mich die beiden anderen fast noch mehr reizen.
    Ich hab mir alle drei mal gemerkt, auf meiner Warteschlange, und in meinem Rückblick erwähnt.
    Vielen Dank für diesen großartigen Beitrag!
    Grüße
    Daniela

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    1. Vielen Dank, es hat ehrlicherweise aber auch Spaß gemacht den Post zu schreiben =)

      Alle drei Bücher sind ja keine leichte Kost, mit 12 hätte ich davon auch keines durchgehalten und mit Schöne neue Welt hatte ich ja jetzt auch so meine Probleme ^^"

      Vielen Dank für die Verlinkung und liebste Grüße

      Vivka

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  2. Guten Morgen Vivka, da bin ich nochmal, denn ich hab auch diesen Beitrag heute in meiner Stöberrunde verlinkt :)

    Ich selbst kenne nur 1984 und Schöne neue Welt (ich glaub das hab ich abgebrochen? weiß ich gar nimmer ...) aber es ist tatsächlich erschreckend wenn man sieht, was damals gedacht wurde und wie es heute aussieht.

    Noch erschreckender finde ich die heutigen Bücher im Science Fiction Bereich, (nicht so die Jugend Dystopien), die viel mit Computertechnik usw. spielen und man genau weiß, dass das meiste davon in Zukunft tatsächlich auf uns zukommt!

    Gruselige Vorstellung, auch wenn ich bzw. meine Generation das vielleicht nicht mehr erlebt - aber meine Kinder.

    Ich hab deinen Beitrag heute in meiner Stöberrunde verlinkt :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Oh yeah =)

      Schöne neue Welt war aber auch anstrengend, daher kann ich gut verstehen, wenn du es abgebrochen hast, wollte ich auch mehrmals ^^"

      Oh ja, wenn man sich da "Metro 2033" oder "Future" oder viele andere heutige neuere Romane anguckt, dann liegt das so sehr in greifbarer Nähe, dass es einfach weh tut ... und trotzdem wird immer weiter gemacht! Virtuelle Realitäten etc sind ja auch so eine Sache, aber da kommen von mir sicherlich noch ein paar Blogposts in dieser Richtung, das ist ja genau mein Ding ^^

      Liebste Grüße

      Vivka

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  3. Interessanter Beitrag!
    Ich habe die Bücher alle selbst gelesen, aber teilweise ist das schon ein paar Jahre her und gerade weil ich sie auf Englisch gelesen habe, möchte ich das bald noch mal machen, weil ich sie heute sicher besser verstehen würde.
    Mich interessieren Dystopien total, aber nach dem Hype vor ein paar Jahren habe ich sie etwas aus den Augen verloren. Es gibt aber sicher noch ein paar, die man gelesen haben sollte und bei denen ich das noch tun möchte. Ich finde den Vergleich dazwischen nämlich auch total interessant, vor allem weil sich einige Dinge fast überall wiederfinden, auch wenn die Ideen erst ziemlich unterschiedlich wirken.

    Liebe Grüße!

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    1. Vielen Dank! =)

      Ich denke, man kann diese Bücher immer wieder lesen, man würde immer wieder neue interessante Aspekte finden, weil sich das eigene Weltbild mit den Jahren auch immer wieder ändert!
      Ja ich hab da noch ein paar auf der Liste wie "Fahrenheit" und sowas, vielleicht mache ich dann auch noch mal ne neues Version von dem Post ;)

      Liebste Grüße

      Vivka

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