Vom Ängste überwinden (oder auch nicht) - Teil 1

Freitag, 11. September 2020

Gestern bin ich also losgefahren, kurz nach acht aus unserem Dorf in Brandenburg. Nach Zeltweg in Österreich. Keine Ahnung, warum ich das jemals für eine gute Idee gehalten habe, momentan möchte ich eigentlich nur weinen und nach Hause.

Nicht, dass ich nicht schon den halben Mittwoch geweint hätte. Den Tag über ging es noch, aber als mein Freund nach Hause kam, konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Keine Ahnung, ob ich meinen Koffer jemals gepackt hätte, wenn er nicht geholfen hätte (oder es fast komplett selbst getan hatte). Ich wollte nicht. Und ehrlich gesagt will ich immer noch nicht. Es war immer mein Traum, an der Rennstrecke zu sein, hautnah und alles live mitzuerleben. Keine Ahnung, wie ich das momentan finde, außer, dass ich nicht alleine sein will.

Und dies ist auch das größte meiner Probleme, dazu nachher mehr.

Erstmal zu gestern. Ich bin als losgefahren. Erst nach Berlin und dann mit dem ICE nach Linz - über sechs Stunden. Es war mal warm, mal kalt in dem Zug, keine Ahnung, wer da die Temperatur eingestellt hat. Die meiste Zeit war ich alleine, mein Sitznachbar ist in Berlin nicht aufgetaucht, sollte mir recht sein. Ab Nürnberg bis Linz hatte ich dann eine Dame neben mir, hätte schlimmer sein können. In Linz musste ich nicht mal den Bahnsteig wechseln, einfach die andere Seite nehmen und auf den nächsten IC warten. Komisches Ding, mega viel Platz, hyperweiche Sitze, aber na ja. Österreichische Ansagen im Zug sind übrigens auch kaum zu verstehen, wie in Deutschland. Jedenfalls mit dem dann weiter bis St. Michael und da hatten wir dann auch mal zwei Minuten Verspätung, ging bei 16 Minuten Umstiegszeit aber noch. Rein in die S-Bahn, die bei uns eher ein Regional Express wäre bis Zeltweg, meiner Endstation. Ich hatte so viel Schiss, wie viel schief gehen könnte. Wenn ich irgendwie strande, nirgendwo ankomme und überhaupt.

Jedenfalls war ich dann in Zeltweg und musste den Besitzer der Unterkunft anrufen, da die schon auf mich warten würde und im Zeifel den Weg erklären würden. Google Maps zeigt sieben Minuten Fußweg an, meinte ich, ich laufe dem einfach nach. Habs dann auch gefunden. Frau brachte mich fast bis zu meiner Unterkunft, ist eher ne kleine Wohnung, ohne Küche. Na ja, hübsch ist es nicht, aber ich möchte ja nur da schlafen. Schlüssel soll ich stecken lassen, wenn ich am Sonntag gehe, aber sie bräuchten irgendwann noch meinen Ausweis zum Vermerken. Ja, wann? Ich brauch konkrete Angaben, sonst zerbreche ich mir ständig den Kopf und komme zu keiner Lösung, so funktioniere ich leider.

Gestern also versucht zu schlafen, habe den gesamten Tag über nichts gegessen, habe es nur geschafft, kurz bevor ich eingeschlafen bin, ein Schokohörnchen herunter zu würgen. Außerdem lief mein Kopf schon wieder Amok. Wie komme ich zur Strecke? Was mache ich, wenn ich ein Taxi anrufen muss? Ja, ich weiß, keine großen Probleme für die meisten. Mich hat es erschlagen und fertig gemacht. Irgendwann bin ich eingeschlafen.

Natürlich bin ich am nächsten Tag nicht um 6 Uhr 30 aufgestanden um an der Strecke zu sein. Hab verschlafen, halb mutwillig. Um neun bin ich dann tatsächlich aufgestanden. Völlig nassgeschwitzt und voller Panik vor dem Tag. Hab mich ewig gedrückt, bevor ich kurz vor 10 nen Taxiunternehmen angerufen habe. Ok, hab erst die Nummer vom Vermieter erwischt, war kurz peinlich, aber na ja. Dann das Taxiunternehmen, war ganz nett, war mir nur nicht sicher, ob er mich wirklich verstanden hat. Na ja, hat er auch nicht wirklich. Statt bei der 21 ist er zur 16 gefahren, aber wir haben uns gefunden. Fahrt war auch ganz angenehem, für 15, 15 Euro pro Tag wird das ganze aber nicht billig fürs ganze Wochenende. Egal ...

Dann war ich am Willkommenscenter, bin irgendwie in den Paddock gekommen ohne Ausweis, fragt nicht. Irgendwann bin ich zurück und habe es dann am Eingang, wo ich am Anfang schon mal war bekommen. Temperatur wird auch jedes Mal gemessen, schien in Ordnung zu sein. Dann habe ich mich auf dem Weg zum Mediacenter wieder verirrt. Irgendwann jemanden angequatscht, war der Cheforganisator, jaaaa, super. Hab vor Schreck vergessen, wie man Englisch redet, noch mehr peinlich. Hab mich dann ins Mediencenter gesetzt und wollte nicht mehr weg.

War ein paar Mal draußen im Paddock und am Pre-Grid, darf ja irgendwie fast überall hin, trotzdem habe ich Schiss, einfach rumzulaufen. Fühle mich unwohl. Alleine. Habe keine Ahnung. Dieses Gefühl prägt mich jetzt seit mehr als fünf Stunden. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Irgendwie ist hier niemand alleine. Die meisten scheinen italienisch miteinandner zu sprechen. Ich fühle mich noch einsamer. Und völlig überfordert. Theoretisch müsste ich in der Pitlane sein, wenn die entsprechenden Serien gerade da sind bzw. fahren. Oder eben generell die Mädels suchen, um mit ihnen zu sprechen. Ich trau mich nicht. Ich trau mich nicht, einfach rumzulaufen, alle Ecken zu erkunden, wo mich keiner aufhält. Ich meine, wenn ich irgendwo nicht hindarf, wird mich doch wohl schon jemand ansprechen. Hab Angst, von irgendjemand über den Haufen gerannt/gefahren zu werden. Es macht mich irre. Außerdem, selbst wenn ich die Mädels finde, weiß ich nicht wie ich die anquatschen soll. Also theoretisch weiß ich es vlt schon, aber ... da sind Menschen drumherum. Mein Englisch ist mega grottig und ich trau mich einfach nicht. Ich bin ein verdammter Feigling!

Aber ich bin einfach komplett überfordert. Anderes Land. Neue Situation. Neue Umgebung. Keine Ahnung. Unfassbar viele Menschen. So viele Eindrücke. Autos. Andere Dinge, auf die man aufpassen muss. Zwei Typen mit Reifen Transportständerdingens kamen mir sehr abrupt um eine Ecke entgegegen. Bisher waren alle nett, aber ich schaffe es nicht, meine Unsicherheit abzulegen. Vor allem scheint hier niemand sonst alleine zu sein. Nur ich. Und ich habe keine Ahnung von irgendetwas. Es wäre sehr viel besser gewesen, wenn ich das erste Mal nicht hätte alleine hier sein müssen. Ich fühle mich schlecht und noch schlechter, weil ich mich als Versager fühle. Das mag dumm sein, lässt sich aber nicht ändern.

Mach einfach bringt übrigens auch nichts. Auch wenn fast immer alles gut ausgeht, wenn ich mich überwinden konnte, lernt mein Bewusstsein das einfach nicht und macht wieder ein großes Ding draus. Bis ich die Gegebenheiten kenne - Ort, Ablauf, Menschen. Kann auch nur eins davon sein, dann komme ich meist klar, aber ohne irgendetwas davon? Hallo Panik!

Jetzt sitze ich wieder im Mediacenter, nachdem ich es nicht geschafft habe, Hamda zu finden und kurz mit ihr über ihre Sessions zu reden. Warte, dass irgendwann das letzte Freie Training stattfindet und ich vielleicht Jamie finde, aber ich mache mir keine großen Hoffnungen. Vielleicht ist das das Problem. Ich!

Und zur Unterkunft muss ich auch wieder heute Abend - mit dem Taxi. Keine Ahnung, ob ich die nächsten zwei Tage schaffe oder einfach heulend irgendwann aufgebe. Wieso hielt ich das jemals für eine gute Idee?

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