Tschernobyl: Buch-/Comictipps

Dienstag, 27. April 2021

 
Herzlich Willkommen am zweiten Tag zu meiner Themenwoche rund um die Atomkatastrophe in Tschnerobyl 1986. Der ein oder andere, der mich schon etwas länger verfolgt oder mich etwas besser kennt, wird wissen, dass ich mich sehr für dieses Thema interessiere und mich seit Jahren damit beschäftige. Daher wollte ich euch mitnehmen, mit mir eine Reise anzutreten und diese Woche ein wenig mehr die Welt von Pripjat zu betreten und vielleicht auch euer Interesse daran zu erwecken!

Themen:
 
Heute möchte ich euch Bücher und Comics vorstellen, die sich rund um das Thema Tschernobyl drehen. Ich besitze und kenne sehr viel mehr, aber ich habe mich hier auf die fünf beschränkt, die für mich in ihrem Bereich die Beste sind und die bestmöglichste Erfahrung und Vermittlung von Wissen und Schicksalen vermitteln. Solltet ihr Bücher davon lesen, dann lasst es mich gerne wissen, ich werde nie müde sein, über dieses Thema zu reden. Niemals!
 
Fangen wir mit "Mitternacht in Tschernobyl" von Adam Higginbotham an, welches für mich das faktisch beste Buch darstellt, wenn man genaues über die Hintergründe, den Ablauf und alles was während und nach der Katastrophe passiert ist, wissen möchte. Das erste Drittel ist etwas ermüdend und zäh, da es hier viel um Physik und Chemie geht, aber danach, hui! Eindrucksvoll aber nachvollziehbar gelingt es dem Autor die Katastrophe plausibel für den Leser rüberzubringen. Von den Menschen, den technischen Begebenheiten, den Machenschaften des Staates. Wie die Sowjetunion dachte, warum sie reagierten wie sie reagierten und warum Tschernobyl eine viel größere Katastrophe ist, nach menschlichen und technischem Versagen, als es nötig gewesen wäre. Wir erleben aktuelles Geschehen, Hintergrundwissen und ein Weg hinaus aus dem Sumpf der Geheimhaltung, Propaganda und Verschleiherung. Und dazu ist es unfassbar spannend geschrieben, dass man manchmal vergisst, dass dies alles eine reale Begebenheit ist! 
Alles rund um die Geburt einer Statd, die Katastrophe, die Tage danach und wie man versuchte, zu retten, was zu retten ist. Bis hin zu den Prozessen der Verantwortlichen, dem Sarkophag, Schicksalen einzelner und generell sowie wie die Wolke auch andere Länder traf. Der unsichtbare Tod - mehr Fakten finden sich in keinem anderen Buch!

"Kurz nach 1:25 Uhr, als sich ring um den rotweiß gestreiften Abluftschot ein purpurroter Kegel aus irisierendem Feuer 150 Meter in die Luft erhob, schrittle in der Feuerwache 2 die Alarmglocke. Im Raum des Leitstellendisponenten blinkten plötzlich sämtliche rote Warnleuchten der Meldetafel - mehrere hundert, eine für jeden Bereich des Kernkraftwerks Tschernobyl."
 
Bei dem zweiten Buch handelt es sich für mich um das wichtigste Buch, welches ich je im Zusammenhang mit Tschernobyl gelesen habe und zwar handelt es sich dabei um "Tschernobyl - Eine Chronik der Zukunft" von Swetlana Alexijewitsch.
Dieses Buch widmet sich vor allem dem Menschen und ihren Schicksalen im Laufe der Katastrophe. Nicht nur, wie die Menschen die direkten Tage danach erlebt haben, sondern auch noch viele Jahre später. Ich habe keine Ahnung mehr, wie oft ich dieses Buch während des Lesens weglegen musste, weil ich so viel Verzweiflung nicht mehr ertragen habe. Was kommt nach der Katastophe? Und wie viel kann ein Mensch ertragen? Es ist so besonders, weil hier nicht die Fakten im Vordergrund stehen, sondern die Menschen. Einzelne Schicksale von realen Personen. Welche bei solchen Berichten viel zu oft vergessen werden.
Besonders das eine Kapitel in dem die Kinder ihre Stimme haben, es hat mein Herz zerfetzt! Dieses Buch ist unfassbar hart zu lesen, aber es lohnt sich, diese Stimmen müssen gehört werden und dürfen nicht versiegen! Zum Glück hat der Suhrkamp Verlag dieses Buch in einer Neuauflage herausgebracht, denn dieses Buch, es ist so unendlich wichtig und hat nicht umsonst den Nobelpreis für Literatur gewonnen!

"Julja, Katja, Wadim, Oksana, Oleg ... Und jetzt Andrej ... `Wir werden sterben und in die Wissenschaft eingehen´, hatte er gesagt. Und Katja: ´Wir werden sterben, und man wird uns vergessen.´- ´Wir werden sterben...´, hat Julja geklagt. 
Wenn ich jetzt zum Himmel aufschaue, lebt er für mich ... Weil sie dort sind ..."

Kommen wir zu dem einzigen Comic in meinen Buchtipps und zwar zu "Ein Frühling in Tschernobyl" von Emmanuel Lepage. 
Ich habe lange gezögert ihn mir für den Preis von fast 30€ zu kaufen, aber wirklich, er ist jeden Euro wert. Wir begleiten den Autor auf seiner künstlerischen Reise nach Tschernobyl und der Möglichkeit, eine gezeichnete Reportage vor Ort zu machen. Und die Bilder sind unfassbar gut. Meist dunkel gehalten, immer wieder mit bunten Aspekten dazwischen, denn Tschernobyl ist nicht vollständig schwarz und tot. Die Natur hat sich den Ort zurück erobert, Menschen sind in die verbotenen Zonen zurückgekehrt, illegal, aber geduldet. Und so erleben wir diesen Frühling von Emmanuel und seiner Gruppe. Angefangen von den Berichten über Tschernobyl, um noch einmal einen schnellen Überblick über die Geschehnisse zu bekommen und einigen interessanten Fakten, vor allem in Bezug zu Zahlen. Und daneben immer die Angst, wie es ist, in eine versuchte Zone zu fahren. Eine Zone mit einem Tod, den man nicht sehen, fühlen und riechen kann, bis es zu spät ist. 
Eindruckvolle Zeichnungen mit einer Geschichte vom Entdecken des Lebens in Tschernobyl, welches dazu verleiten lässt, die ständige Gefahr zu vergessen. Wenn es grünt im Frühling von Prypjat, was kann da schon gefährlich sein?

"Eine Busstation! Zehn Meter von der Strasse entfernt, zwischen den Bäumen!
Es ist wie ein Gedankenblitz!
Plötzlich wird mir klar, dass ich nicht auf einem Waldweg, sondern mitten auf einer Strasse stehe.
Um mich herum wächst kein dichter und gastlicher Wald... Sondern ein technologischer Unfall!"

Das nächste Buch ist ein Bilderbuch, leider bisher das einzige, welches ich über Tschernobyl bisher besitze und ist zweisprachig - dabei handelt es sich um "Tschernobyl" von Alexander Hofmann.
Dieses Buch besteht hauptsächlich aus Fotos von einer Reise des Autoren in die verstrahlte Zone. Eine Reise, die er sich damals vornahm, als er nicht verstehen konnte, wieso er einen so langen Hausarrest ausstehen musste, ohne etwas angestellt zu haben. Am Anfang beschreibt Hofmann ein wenig seine Berührungspunkte mit Tschernobyl und stellt auch noch einmal kurz und knapp Fakten auf Deutsch und Englisch dar, bevor sich das Buch vollständig in Fotografien verliert. Eindrucksvolle Bilder von einem faszinierenden Ort, der doch gleichzeitig so gefährlich ist. Das Riesenrad, vergessene Puppen, liegengelassene Dinge. Häuser, die in der Eile verlassen wurden, und in die nie jemand zurück gekehrt ist. Bilder einer Katastrophe, die nicht ausdrücken können, was hier wirklich geschehen ist und dennoch gleichzeitig so düster und bedrückend ist. Wir kennen mittlerweile viele Bilder aus Tschernobyl, der Katastrophen-Tourismus blüht, doch diese Arbeiten sind so wichtig, so einzigartig und einfach krass zu sehen. Und in diesem Buch gibt es so viel zu sehen!

"Ich erzählte ihm, wie ich als Zwölfjähriger nicht mehr im Garten und im Wald hatte spielen dürfen. Dass wir kein Gemüse mehr essen durften, weil eine ´gefährliche´ Wolke über meine Heimatstadt Berlin flog, und dass ich damals beschlossen hatte, einmal in meinem Leben Tschernobyl zu besuchen. Ich wollte sehen, was mir diesen langen Hausarrest eingebrockt hatte.
Denn damals, ohne Playstation, ohne 200 Fernsehprogramme und ohne Handy, was unser Spielplatz die Strasse."

Das letzte Buch ist fiktiver, denn ich habe einen Krimi ausgegraben, indem es in der Nebenhandlung um eine alte Frau geht, die zurück in die verbotene Zone von Tschernobyl gezogen ist: "Die andere Hälfte der Hoffnung" von Mechthil Borrmann.
Ein Bauer findet eine junge Frau vor seinem Gehöft und nimmt sie unter seinen Schutz, woraus sich eine Geschichte voller Korruption, Menschenhandel und Gewalt ergibt. Diesen Strang fand ich langweilig und hab ihn oft überflogen, wenn ich ehrlich bin. Viel mehr spannend fand ich den um Walentyna, die in der verbotenen Zone wohnt und auf ihre Tochter wartet. Diese bringt immer wieder Dinge in die Sperrzone und versorgt die alte Frau mit wichtigen Dingen, doch nun ist sie verschwunden. Hier beginnt Walentyna ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, die eng mit den Geschnissen von Tschernobyl und der Katastrophe verbunden sind. Natürlich habe ich das aufgesogen wie ein Schwamm und fand die Mischung der Geschichten sehr interessant und empfehle das vor allem Lesern, die eben nicht nur Sachbücher lesen wollen, sondern eine verknüpfte Geschichte, denn auch wenn das Buch fiktiv ist, so sind es die Erlebnisse der alten Frau, die als Krankenschwester arbeitete, nicht unbedingt!

"Ich stand in meinem Schwesternkittel am Auto und war wie gelähmt. Dass es schlimmer war, als ich mir eingestehen wollte, diese Ahnung hatte mich schon den ganzen Tag wie ein fernen Ton begleitet. Jetzt tanzte nur noch dieser eine Satz in meinem Kopf: ´Wir kehren in den nächsten Tagen nicht nach Hause zurück.´ Weiter konnte ich nicht denken. Ein ´weiter´ schien es nicht zu geben."

Und das waren meine heutigen Buchtipps, wie gesagt, ich besitze und kenne noch einige Bücher mehr, falls ihr also noch mehr Lesestofft braucht, meldet euch gerne, aber ich denke mir diesen fünf Tipps seid ihr erstmal mehr als versorgt. Ich inhaliere Bücher über dieses Thema, und es gibt bessere und schlechtere, aber interessant sind sie alle und ich hoffe für uns, dass sich solch eine Tragödie nie wiederholen wird, auch wenn es bereits weitere, wenn auch nicht in diesem Ausmaß, gegeben hat, dazu dann am Sonntag mehr!
 
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