Bücher über Tschernobyl / Buchwelt

Sonntag, 15. Oktober 2017

Es wurde sich etwas gewünscht und eure Wünsche sind mir Befehl, na ja, zumindest meistens, in diese Fall aber auf jeden Fall. Heute soll es um das Thema Bücher über Tschernobyl gehen. Ich habe beileibe nicht alles gelesen, was es in dieser Hinischt gibt und meine Wunschliste ist immer noch gefüllt mit mehr Büchern zu diesem Thema. Aber das Buch, welches mich am meisten erschütterte und ein paar andere werde ich euch hier heute vorstellen!

Swetlana Alexijewitsch - Tscherbobyl: Eine Chronik der Zukunft
"Dies ist kein Buch über Tschernobyl, sondern über die Welt von Tschernobyl. Über das Ereignis selbst wurden bereits Tausende Seiten geschrieben und Hunderttausend Flimmeter gedreht." 

Ich hatte nur das Vorwort der Autorin gelesen und stand bereits völlig neben mir, das Buch griff direkt in mehr Herz und zerschlitzte es. Hier geht es um die Menschen. Menschen, die direkt oder indirekt bei der Katastrophe von Tschernobyl dabei gewesen sind. Menschen, die ihre Gefühle und Ängste und Hoffnungen und Hoffnungslosigkeit ausdrücken. Ungefiltert. Ungeschönt. Einfach ehrlich und Halleluja, es ist erschütternd.
  
"Der Tod hatte auf einmal viele unbekannte Gesichter. Man konnte ihn nicht sehen, nicht anfassen, nicht riechen. Es gab nicht einmal Worte, die hätten ausdrücken können, wie sich die Menschen plötzlich vor dem Wasser, dem Boden, den Blumen und den Bäumen fürchteten." 

Es sind kurze verschiedene Kapitel, in denen die Menschen zu Wort kommen. Sie sagen was sie zu sagen haben oder sie sagen es nicht und drücken doch so viel damit aus! Ich habe keine Worte, um dieses Buch zu beschreiben, doch ich habe beim Lesen noch nie so gelitten!
Es gibt ein Kapitel über die Kinder, wie sie das Leben sehen, welche Perspektiven und Erwartungen sie an das Leben haben und was sie wohl nie erleben werden, denn sie sind krank, totkrank. Ihr wollt nicht wissen wie ich geheult habe! Ich musste so oft das Buch weglegen, weil ich einfach nicht mehr konnte. Wenn wir über Tschernobyl reden, reden wir im Normalfall von der Katastrophe, aber wir vergessen die Schicksale. Wie viele Menschen wirklich von Tschernobyl betroffen waren. Was sie gefühlt  haben, was sie immer noch fühlen! Welche Auswirkungen dieser Vorfall bis heute hat. Und was wir daraus gelernt haben, oder besser, was die Welt bis heute nicht daraus gelernt hat!

"Bis heute sind auf der Welt 440 Atomreaktoren in Betrieb, in fast 30 Ländern."

"Und der Markt investiert nur in Dinge, die sofort Gewinn abwerfen. Unser Konsum wächst beständig, und eben das nennen wir Fortschritt."

"Was würden sie wählen - einen neuen mobilen Computer, ein Auto oder das Leben?"

Was würdest DU wählen?

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Andrew Blackwell - Willkommen im sonnigen Tschernobyl
Das Buch ist bei mir wirklich lange her. Der Titel ist ein wenig irreführend, an sich  geht es nur in einem Kapitel über Tschernobyl. Eher ist es ein Sightseeing-Buch der etwas anderen Art. Blackwell zeigt auf, was es für Orte auf der Welt gibt, die es eigentlich nicht geben sollte. Sei es Tschernobyl, sei es der dreckigste Fluss Chinas oder den Ölsandtagebau in Kanada. Die Welt und ihre Verschmutzungen, fast ausschließlich vom Menschen geschaffen. Ein Blick in dieses Buch lohnt sich absolut!

"Die Strahlung ist zwar für keinen Organismus richtig gesund, aber sie hat immerhin die Menschen so effektiv aus dem Sperrgebiet ferngehalten, dass es für Tschernobyl ein Zurück zur Natur gegeben hat, ein großes, ungeplantes Experiment: Naturschutz durch Umweltverschmutzung." 

Antje Hilligens & Irina Wachidowa - Der Tag, an dem die Wolke kam
Dieses dagegen habe ich als letztes gelesen. Hier geht es um die Familie Wachidowa. Irina und Vladimir lebten in Tschernobyl als Block 4 des Reaktors explodierte. Wir begleiten sie auf ihrer Reise wie sie für drei Tage evakuiert werden, in dem festen Glauben, zurückzukehren. Wie sie nie zurückkehren durften. Wie die Regierung alles verschleiert, aber das Vertrauen des Volkes so groß ist, dass sie alle machen, was ihnen gesagt wird. Wie Menschen krank werden und sterben. Es ist nicht ganz so berührend wie das erste Buch, was ich heute vorgestellt habe, aber trotzdem ... dieses Buch ließ mich ebenfalls sprachlos zurück. Die Wachidowas haben einiges mitmachen müssen und es ist unvorstellbar, was die Menschen damals im Gebiet von Pripjat erlebt haben!
"´Unabhängigen Meldungen zufolge hat es in der Nacht von Samstag auf Sonntag in der Ukrainischen Sowjetunion einen Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl gegeben. Bisher ist nicht bekannt, ob Menschn zu Schaden gekommen sind. Unabhängige Messungen haben einen Anstieg der radioaktiven Strahlung in Süddeutschland und in Teilen Österreichs ergeben. Es ist möglicherweise auf einen Strahlungsaustritt bei der Havarie in der Sowjetunion zurückzuführen. Von offizieller sowjetischer Seite wurde bisher keine Erklärung abgegeben.´"

Mechthild Borrmann - Die andere Hälfte der Hoffnung
Dies ist ein fiktionales Buch, aber es verknüpft Fiktion mit Realität. Und auch wenn ich den Krimi an sich eher mäh fand, haben mich die Abschnitte über Tschernobyl und den Erfahrungen der im Sperrgebiet lebenden Walentyna, die anfängt im bitterkalten Winter ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Allein dafür hat sich das Buch sehr gelohnt!
Walentyna war Krankenschwester in Pripjat und hat einiges miterlebt, was besonders mit den Menschen in Tschernobyl zusammenhängt und ja, mir blutete oft das Herz und aufgrund diesen Buches wollte ich nicht mehr zur Katastrophe an sich lesen, sondern über die Menschen und ihre Schicksale während und nach der Explosion des Kraftwerkes!
"Gegen vierzehn Uhr verließ ich das Krankenhaus. Meine Kleidung bekam ich nicht zurück. ´Die haben wir verbrannt´, sagte der Mann an der Schleuse, ´und das sollten Sie mit allem tun, was Sie aus Pripjat mitgenommen haben.´
Ich weiß noch, dass ich dachte: ´Was redet der? Unsere ganze Habe ist in Pripjat, und in zwei Tagen...´ 
Ich stand in meinem Schwesternkittel am Auto und war wie gelähmt. Dass es schlimmer war als ich mir eingestehen wollte, diese Ahnung hatte mich schon den ganzen Tag wie ein ferner Ton begleitet. Jetzt tanzte nur noch dieser eine Satz in meinem Kopf: ´Wir kehren in den nächsten Tagen nicht nach Hause zurück.´ Weiter konnte ich nicht denken. Ein ´weiter´ schien es nicht zu geben."

All diese Bücher sind gute Eindrücke, was Tschernobyl den Menschen und der Welt angetan hat und das wir nicht nur von der Katastrophe an sich, sondern vor allem über die Menschen, reden sollten!
Was ist mit euch? Kennt ihr Bücher über Tschernobyl? Interessiert ihr euch überhaupt für die Thematik und würdet eines dieser Bücher lesen? Oder ist das alles bereits so lange her, dass es "egal" ist?

Es gibt natürlich noch viel viel mehr Bücher, aber die muss ich alle erst einmal lesen! Ich hoffe trotzdem, meine kleine Auswahl gefällt euch und vielleicht habt ihr ja Interesse in das ein oder andere hinein zu lesen.

Weitere Bücher:
Die Wolke / Gudrun Pausewang / Ravensburger
Verschlußsache Tschernobyl / Alla Jaroshinskaja / BasisDruck Verlag

Links
Titelbild Atomic Ruin / his1nightmare / deviantART
Tschernpbyl: Eine Chronik der Zukunft / Swetlana Alexijewitsch / Piper (neue Auflage)
Andrew Blackwell / Willkommen im sonnigen Tschernobyl / Ludwig
Der Tag, an dem die Wolke kam / Antje Hilliges & Irina Wachidowa / Amazon
Die andere Hälfte der Hoffnug / Mechthild Borrmann / Knaur

4 Kommentare:

  1. Liebe Vivka,

    danke für diesen tollen und wirklich informativen Beitrag. Gerade das erste Buch, was du vorgestellt hast, interessiert mich und ich werde es mir mal auf die Merkliste packen.
    Ich selbst habe irgendwann mal Die Wolke gelesen, kann mich aber nur noch wenig daran erinnern. Allerdings habe ich im Zuge meiner Lost Places Recherchen zwangsläufig auch einiges über Tschernobyl im Netz gelesen. Und jede Menge Dokus und Videos gesehen. Beeindruckt haben mich vor allem die Menschen, die in die Sperrzone zurückgezogen sind und dort sogar Kartoffeln aus dem eigenen Garten essen und Fische fangen. Gerade eine ganz alte Frau ist mir in Erinnerung, die dort lebt. Allerdings hat man auch gemerkt, dass sie mit der Strahlung leben und sie nicht als schlecht empfinden, weil sie sie nicht direkt spüren können. Eine trügerische Idylle, die man im Film sehen konnte.
    Ich wünsche dir eine gute Zeit und jetzt noch einen schönen Abend. Mir hängt die Buchmesse noch etwas in den Knochen. Und deshalb geht es jetzt ins Bett.

    Liebe Grüße
    Tamara

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    1. Serh sehr gerne, ich habe nochh viele solcher Bücher im Regal und auf der Wunschliste, da werden sicherlich noch mehr solche Beiträge folgen =)

      Oh ja bei Losts Places findet man auch sehr viele tolle Sachen und Tschernobyl sieht schon sehr faszinierend aus!

      Es leben vor allem mehr Menschen da, als man meinen mag ... aber sie pflanzen und essen alles von dort ... ich weiß nicht, ob es an ihrem Glauben liegt, oder sie einfach so zäh sind, so oder so, ist das Wahnsinn!

      Wui ich hoffe, du hast gut geschlafen und der Messe Blues wird nicht zu hart ;)

      Liebste Grüße

      Vivka

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    2. Ja, der Glauben dieser Menschen muss wirklich tief sein. Ich finde es auch absoluter Wahnsinn.
      Mit dem Messeblues hält es sich tatsächlich noch in Grenzen. Allerdings kann ich mich noch nicht aufraffen darüber einen Blogbeitrag zu verfassen. Das wird wohl erst morgen oder übermorgen passieren. Heute bin ich schon froh, wenn ich etwas lesen kann. Mein Kopf ist schon ziemlich voll durch die Messe. :-)

      Liebe Grüße
      Tami

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    3. Allerdings sind die eben auch ganz anders aufgewachsen, allein wenn man die Geschichten liest, merkt man, dass sie solch ein Vertrauen in Land und Regierung haben, das ist Wahnsinn oO

      Ach alles mit der Ruhe, sowas muss nicht in Stress ausarten und dann kommt dein Beitrag nicht mit allen gleichzeitig, ist doch auch was ;)

      Liebste Grüße

      Vivka

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